7. Herr B., 33 Jahre, erwerbslos – Teilhabe-Einschränkung durch Lichtflimmern

Ob Lampen, Deko oder Bildschirmgeräte; mittlerweile flimmert es selbst bei Tage hektisch aus allen Richtungen und Winkeln. Waren mir früher Leuchtstoffröhren und die zurechtgebogenen „Energiesparlampen“ ein Graus, so hat die LED-Beleuchtung dies noch zu übertreffen verstanden.

Wegen meines Nystagmus kann ich die Bewegungen von elektrischem Licht zumeist mitverfolgen. So ist das stroboskopartige Flimmern vieler LED sowie das Flackern und Aufblitzen von Leuchtstofflampen für mich deutlich wahrnehmbar. Dies stört maßgeblich mein Sehen sowie meine Orientierung und führt darüber hinaus bei einer „Überdosis“ zu heftigen gesundheitlichen Reaktionen. Einer stresshaften Überreizung meiner physiologi­schen Wahrnehmung folgen in der Regel Übelkeit, Ganzkörper-Zittern, Benommenheit, dröhnende Ohr­geräusche, starke Augen­schmerzen mit Rötung, stechende Kopfschmerzen, bis hin zur Migräne und Fieber. Auch Sehausfälle kommen vor. Nach einer solchen Reaktion auf Flimmerlicht benötige ich bei guter Konstitution etwa zwei bis drei Tage zur Genesung.
Sobald das Sonnenlicht nicht mehr ausreicht, jenes diskontinuierliche Licht aufzufül­len, muss ich daher dringend eine sichere Umgebung aufsuchen, in der ich mich auch ohne Sehen zurecht fin­de – das nicht nur nachts. Ein normales Leben zu führen, ist mir so nicht möglich.

Mit meinem Sehen bereitet es mir mittlerweile selbst bei Tage große Mühe, mich als Fußgänger oder Radfahrer an Straßen zurechtzufinden, geschweige denn mich ungehindert am Straßenverkehr zu beteiligen. Be­sonders zappelig sind LED-Tagfahrlichter und LED-Fahrradlampen. Doch auch die angezeigte Schrift auf Zug, Bahn und Bus zu lesen und somit zu erkennen, um welche Linie es sich handelt oder wo­hin sie unterwegs ist, bereitet mir Probleme. Ebenso ergeht es mir mit den Haltestellenanzeigen. Denn auch hier hindern mich flim­mernde Leuchtmittel am Erkennen. Überdies breiten sich allerorten LED-be­triebene, flimmernde Straßenla­ternen und Ampeln aus, was bei barrierefreien Bauvorhaben bisher keine Berücksichtigung findet. Zudem er­schweren digitale Werbe-Anzeigen sowie Smartphones meine Wege.

Beim Verlassen meiner Wohnung trage ich immer einen Notfallkoffer mit Glühbirnen bei mir. Bevor ich zu einer Verabredung gehe, erkundige ich mich nach den dortigen Lichtverhältnissen und Lampenfassun­gen. Für den sicheren Hin-und Rückweg bin ich jedoch, vor allem in der dunklen Jahreszeit, zumeist auf eine Begleitperson angewiesen.
Mit meiner Familie Essen zu gehen, eine Freundin zum Tanz auszuführen, eine Ausstellung zu besichti­gen, ein Theaterbesuch, an einem Seminar teilzunehmen, mich einem Sportverein anzuschließen oder auch ungehindert einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, stellt mich derzeit vor große Herausforderun­gen.
Da bisher nicht geklärt werden konnte, wie ich sicher an meinen Tätigkeitsort gelangen, und welche Auf­gaben ich im Zeitalter der Digitalisierung und der Single Lighting Regulation übernehmen könne, bleibe ich weiterhin erwerbslos. Umschulungsmaßnahmen scheitern bislang gleichfalls an der Beleuchtung so­wie an Bildschirmgeräten. Wobei ich anmerken möchte, dass es mir nicht an Qualifikationen mangelt.

Um mich vor einer Sehüberlastung zu bewahren, bleibt mir somit bisher nichts anderes übrig, als öffent­liche Orte, Veranstaltungen, Gebäude und Straßen zu meiden. Mein Wunsch ist es daher, mich auch im Alltag unter verschiedenstem Kunstlicht sicher und wohl zu fühlen.
Indem Lampen und Bildschirmgeräte künftig auch auf ihre Seheignung sowie die gesundheitliche Verträglichkeit hin überprüft und gekennzeichnet werden, ließe sich viel erreichen. Eine Energie-Einsparung darf nicht zu Lasten des Wohlbefindens oder gar der Gesundheit geschehen. Wobei der Verbrauch von Betriebsstrom nur eines von vielen Kriterien im Lebenszyklus eines Produkts darstellt und mir somit eine Einteilung in Effizienzklassen nur unter Beachtung aller Prozess-Schritte und Aktivitäten wirklich sinnvoll scheint.

Solang die Sonne scheint ist alles gut!