Bei natürlicher Dunkelheit wären in einer klaren Nacht von Leipzig aus bis zu 4.000 Sterne mit bloßem Auge sichtbar, jedoch verblasst unser Sternenhimmel aufgrund der zunehmenden Lichtverschmutzung zusehends. Denn um Verkehrsunfällen sowie Überfällen und Einbrüchen vorzubeugen oder aber um wirksam auf ein Produkt bzw. eine touristische Attraktion aufmerksam zu machen, nutzen wir auch nachts lieber zu viel als zu wenig Kunstlicht. So leben bereits 99 % der Europäer unter einem lichtverschmutzten Nachthimmel, dessen Aufhellung im Mittel um jährlich 6 % zunimmt.
Infolge von Streueffekten reichert sich unser künstliches Licht über den Städten als Lichtglocke an. Je höher dabei die Blauanteile im Licht sind, umso intensiver ist die Lichtglockenbildung in der Atmosphäre. Jene Lichtglocken können sich über hunderte Kilometer weit erstrecken und sind teilweise 40 mal heller als der sie umgebende natürliche Nachthimmel. Durch Wolkenschichten werden sie besonders weit ins Umland getragen und erreichen auch ansonsten lichtgeschützte Bereiche, fernab der hellen Ballungsgebiete. Somit verschwinden nach und nach immer mehr Sterne aus unserem Blickfeld. Jährlich erscheint daher ein „Lichtverschmutzungsatlas“ mit den verbliebenen Orten, an denen noch eine freie Sicht auf den Sternenhimmel möglich ist.
https://advances.sciencemag.org/content/advances/2/6/e1600377/F2.large.jpg
Nun behindert eine übermäßige nächtliche Beleuchtung aber nicht nur die Sternenschau. Beim Menschen sind bspw. gesundheitsbeeinträchtigende Auswirkungen auf den Schlaf-Wach-Rhythmus und andere Taktgeber bekannt. Durch den Verlust der Nacht wird daneben auch das empfindliche ökologische Gleichgewicht gefährdet. Denn unsere Nutzung künstlicher Lichtquellen bei Nacht hat ebenso Auswirkungen auf Einzeller, Tiere, Pilze und Pflanzen.
So werden etwa Vögel, Fische und Insekten durch helle künstliche Lichtquellen desorientiert bzw. angelockt. Dabei kollidieren Vogelschwärme miteinander oder mit hohen Gebäuden, Insekten werden von blauhaltigen Lichtern angezogen und umflattern diese bis zum Erschöpfungstod, Fische finden nicht mehr zu ihren Laichgewässern und Pflanzen werden durch die, von blauhaltigen LED-Straßenlaternen emittierte, photosynthetisch aktive Strahlung fortwährend zum Wachsen angeregt, was sie schwächt und anfällig macht oder im Winter sogar erfrieren lässt, wenn sie ihr Wasser bei Kälte nicht in die Wurzeln zurückziehen.
Die Berliner Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) fanden jüngst Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen der Lichtverschmutzung in Ballungsräumen und dem dramatischen Insektensterben.
https://www.igb-berlin.de/news/insektensterben-durch-lichtverschmutzung
Neben Einzelwesen können infolge der Lichtverschmutzung zudem ganze Biotope – wie Gewässer – durch eine Verschiebung der Räuber-Beute-Beziehung belastet sein. Der Wasserfloh etwa, traut sich erst im Schutze der Dunkelheit an die Oberfläche, um dort Blaualgen zu vertilgen. Bei Vollmond fastet er, um nicht von den vom Licht angelockten Raubfischen gefressen zu werden. Die Blaualgen ihrerseits nutzen das zusätzliche nächtliche Lichtangebot zum Wachsen. Dabei geben sie auch toxische Stoffe in das Gewässer ab. Fehlt die Regulierung der Blaualgen-Population durch die Wasserflöhe, wird das Wasser giftig. Und da diese Toxine weder geruchlich noch geschmacklich auszumachen sind, verenden Tiere, die von diesem Wasser getrunken haben allzu oft. Sogar für den Menschen kann ein von Blaualgen belastetes Wasser tödlich-giftig sein.
https://www.wissenschaft.de/allgemein/wasserfloehe-reinigen-den-bodensee/
Damit wir nicht allesamt geradewegs in eine ökologische Krise hinein stolpern, ist es daher unerlässlich, nachts auch mal ein paar Lichter auszuschalten.