Behandlung 3 unserer Petitionsverfahren in der Sitzung des Europaparlaments am 09.11.2021

Am 9. November findet eine Sitzung des Petitionsausschusses des Europaparlaments statt, zu der gleich 3 unserer Petitionsverfahren behandelt werden. Dies betrifft die EU-Petitionen 0808/2018, 1180/2019 und 0447/2020.
Petition Nr. 1180/2019 basiert auf unserer Bundestagspetition
Pet 2-19-18-272-008095, welche dem Europäischen Parlament infolge der Beschlussempfehlung vom Deutschen Bundestag zugeleitet wurde.

Die Sitzung des Petitionsausschusses ist voraussichtlich gegen 17:45 Uhr per Webstream als Direktübertragung unter folgendem Link mitzuverfolgen: http://www.europarl.europa.eu/committees/de/peti/home.html
Eine Aufzeichnung der Sitzung ist ab dem Folgetag abrufbar.

Das kurzfristige Angebot des Ausschuss-Sekretariats dankend annehmend, haben wir vor dem Sitzungstermin am 9. November zu unseren 3 Petitionen nochmals Stellung genommen.
Die Stellungnahmen reichten wir gestern in deutscher und englischer Sprache unter der angegebenen E-Mail-Adresse des Sekretariats ein. Als Anlage fügten wir unseren Leitfaden zur Unterstützung von Menschen mit einer Kunstlicht-Unverträglichkeit mit dem Titel „So können Sie helfen“ bei.
Nachfolgend sind die Stellungnahmen zu den Petitionen aufgeführt.

Petition Nr. 0808/2018

Petent: M.B., deutsche*r Staatsangehörige*r

Wie bereits dargestellt, bin ich durch das Lichtflimmern aus LED/OLED- und Leuchtstofflampen sowie damit beleuchteter Bildschirmgeräte und Gebrauchsgegenstände, extrem beeinträchtigt. Neben massiven Seheinschränkungen und daraus resultierenden Orientierungsschwierigkeiten erleide ich teils heftige, unwillkürliche körperliche Überreaktionen. Selbst sogenannte „flimmerfreie“ Leuchtmittel und Bildschirme mit Glättung sind für mich noch nicht verträglich. Mit Glühlampen sowie unbeleuchteten E-Ink-Bildschirmen hingegen, geht es mir gut.

Zur Alltagsbewältigung bin ich inzwischen auf fachliche, behindertengerechte Unterstützung in Situationen angewiesen, in denen ich Sehaufgaben nicht mehr selbstständig oder nicht ohne Augenschmerzen, Migräne, vegetative Störungen oder ein Unfall- und Verletzungsrisiko realisieren kann.

Die Unverträglichkeit gegenüber flimmernden elektrischen Lichtquellen bedeutet für mich folglich:

  • eine Barriere im Alltag,
  • ein Sicherheits- sowie Gesundheitsrisiko,
  • eine Belastung für Mobilität und Selbstbestimmtheit,
  • ein Hindernis bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Indes weisen die neuen Flimmer-Grenzwerte der Verordnung (EU) 2019/2020 in eine erfreuliche Richtung. Allerdings sind die Werte für meine Bedürfnisse noch entschieden zu hoch angesetzt.
Mein Bedauern möchte ich darüber zum Ausdruck bringen, dass flimmernde elektrische Lichtquellen, wie etwa Bildschirmgeräte, Elektrogeräte, digitale Anzeigen, Kinderspielzeug, Kleidung, Möbel, Deko-Artikel, Straßenlaternen, Signalleuchten, Fahrradbeleuchtung oder auch beleuchtete Fahrzeuge und deren Anhänger von der Grenzwert-Regelung ausgenommen sind. Für lichtbasierte Übertragungsanwendungen – im Verordnungstext als vernetzte Lichtquelle (CLS) bezeichnet – gelten ebenfalls Ausnahmen. Doch geschieht hierbei der Datentransfer mittels gezielter Hell-Dunkel-Wechsel – also Lichtflimmern. Überdies findet in ANHANG V die Zunahme des Lichtflimmerns von elektrischen Lichtquellen während der Nutzungsphase keine Erwähnung im Rahmen des Dauerprüfverfahrens.

Daher bitte ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Petitionsausschusses, mich in meinem Anliegen zu unterstützen, elektrische Lichtquellen hinsichtlich ihrer Seheignung sowie ihrer nervlichen und hormonellen Verträglichkeit zu kennzeichnen. Gerade für barrierefreie Bauvorhaben könnte hierdurch, neben Stromverbrauch und Lichtstrom (Lumen), ein bedeutsames Entscheidungskriterium hinzugewonnen werden.

Petition Nr. 1180/2019

Wir Menschen können auf ganz unterschiedliche Weise durch elektrisches Licht und dessen Nebenprodukte beeinträchtigt sein. Welche Probleme das „falsche“ Licht im Alltag bereiten kann, ist vielen Menschen jedoch gar nicht bewusst.

Da heutzutage in nahezu allen Lebensbereichen elektrisches Licht, basierend auf LED- und Leuchtstofflampen, Anwendung findet, ist der Aktionsradius von Menschen mit einer Kunstlicht-Unverträglichkeit entsprechend eingeschränkt.
Wie die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft trotz Kunstlicht-Unverträglichkeit gewährleistet werden kann, ist derzeit nicht zu beantworten. Bisher jedenfalls werden Kunstlicht-Betroffene im Sinne der Barrierefreiheit nicht berücksichtigt. Doch wie gelangen Betroffene sicher und ohne gesundheitliche Auswirkungen in Kindergarten und Schule, an Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte, wenn Ampeln und Straßenlaternen ebenso wie Bahn, Bus, Zug, Auto und andere Fahrzeuge innen wie außen mit LED ausgerüstet sind und zudem digitale Werbeanzeigen und Smartphones die Wege zusätzlich erschweren? Wie kann die Teilhabe am Tätigkeitsort erfolgen? Wie können diese Personen ungehindert an Kultur- und Freizeitveranstaltungen teilnehmen, wenn zur Allgemeinbeleuchtung ausschließlich LED- und Leuchtstofflampen genutzt werden? Wie können Kunstlicht-Betroffene Weiterbildungen, Seminare und Tagungen besuchen? Wie finden sie sich in Hotels zurecht? Wie steht es mit Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten, Reha-Maßnahmen oder Kuren? Wie können die Einkäufe von Dingen des täglichen Bedarfs selbstständig erfolgen?

Als wäre all dies noch nicht Barriere genug, scheitert eine medizinische Identifikation „lichtempfindlicher Patienten“ nach unseren Erfahrungen bislang überwiegend an den, für eine Feststellung erforderlichen Methoden und Geräten, da diese zuvorderst entwickelt sowie erprobt werden müssten. Und so fehlt momentan das Wissen über Unverträglichkeiten und mögliche Risiken, auf dessen Grundlage Lebensqualität steigernde Hilfeleistungen erbracht werden könnten.

Auch ist für lichtempfindliche Menschen eine „Glühlampe auf Rezept“ laut der Verordnung (EU) 2019/2020 – ANHANG I, Begriffsbestimmungen für die Anhänge, (61) & ANHANG II, Ökodesign-Anforderungen, 3. Informationsanforderungen, e) – in Deutschland bislang weder in Apotheken noch in Sanitätsfachgeschäften zu beziehen. Laut Schreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 15.02.2021 an uns, ist vorab die Aufnahme entsprechender Leuchtmittel in das Hilfsmittelverzeichnis erforderlich. Hierzu müsste sich ein Hersteller finden, der die bereits ausgephasten Glühlampen unter Nachweis des medizinischen Nutzens wieder Inverkehrbringen kann.
Zudem hat die flächendeckende Verbreitung von LED-Lampen dazu geführt, dass im Handel erhältliche Leuchten inzwischen weniger elektrische Leistung (Watt) bereitstellen als bisher allgemeinhin üblich. Sowohl die Fassungen selbst als auch der Draht im stromleitenden Kabel sind geringer dimensioniert und hierdurch nicht mehr für alle Lampenarten geeignet. Infolge einer zu hohen Stromabnahme der „Glühlampe auf Rezept“ kann es folglich zur Überlastung der Leuchte und somit sogar zu einem Kabelbrand kommen.

Ihre Mithilfe, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Petitionsausschusses, kann dazu beitragen, dass:

  • bei der Gestaltung von elektrischen Lichtquellen,
  • durch das Verfügbarmachen von Glühlampen und kompatiblen Leuchten,
  • bei der medizinischen Erfassung von Kunstlicht-Unverträglichkeiten,
  • bei der Schaffung von Barrierefreiheit

künftig auch die Bedürfnisse von empfindlichen Personengruppen verantwortungsvoll berücksichtigt sind.

Petition Nr. 0447/2020

Wie in unserem Schreiben vom 10.04.2020 ausgeführt, befürworten wir die Wiedereinführung von nahinfraroten elektrischen Lichtquellen in künstlichen Lichtumgebungen.

Wenngleich für nahinfrarote elektrische Lichtquellen mehr Betriebsstrom aufzuwenden ist, als für kurzwellige HEVL-Lichtquellen, könnte sich dieser Parameter bei weiterführender Betrachtung relativieren. Dies, da sich durch die Verwendung von HEVL-Lichtquellen langfristig nachteilige gesundheitliche Folgewirkungen in bevölkerungsmedizinisch relevanten Größenordnungen einstellen könnten. Was wiederum durch einen höheren Energie- und Ressourceneinsatz zu kompensieren wäre.
In diesem Zusammenhang wiesen wir darauf hin, dass nahinfrarotes Licht dazu geeignet scheint, negative Auswirkungen von HEVL-Lichtquellen auf die menschliche Gesundheit abzumildern.

Da diesem möglichen Risiko aufgrund der weiten Verbreitung von HEVL-Lichtquellen eine wichtige volkswirtschaftliche Bedeutung beizumessen ist, regen wir eine vorausschauende Intervention an. Hierbei bitten wir Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Petitionsausschusses, um Ihre Mithilfe beim Ergreifen geeigneter Vorsorgemaßnahmen.